Wanderung zur Schreckhornhütte: Im Schatten der Giganten
Silvie Kommentare 2 Kommentare
T4
1615m
142m
06:05
Jun-Okt
10.9km
Eine der schönsten und zugleich anspruchsvollsten Hüttenwanderungen im Berner Oberland führt von Grindelwald zur spektakulär gelegenen Schreckhornhütte. Auf rund 1.500 Höhenmetern erleben wir die ganze Bandbreite alpiner Landschaft: sanfte Wiesen, wilde Gletscher, steile Felsen und ausgesetzte Pfade – immer begleitet vom atemberaubenden Panorama der Berner Alpen.
Ein klarer, heißer Sommertag in Grindelwald. Wir sind früh in Zürich gestartet und kommen gegen 10 Uhr in Grindelwald an. Nachdem wir den Bahnhof verlassen haben, wird noch ein kurzer Zwischenstopp im nahegelegenen, riesigen Supermarkt eingelegt und schon kann es losgehen. Der erste Kilometer führt direkt durch hübschen Dorf und könnte mit dem Bus abgekürzt werden.
Die Sonne brennt bereits auf die Berghänge, der Himmel ist wolkenlos. Keine Gewitterwarnung, kein Regenrisiko – perfekte Bedingungen für eine der beeindruckendsten Hüttenwanderungen in der Schweiz: zur Schreckhornhütte auf 2.527 Metern Höhe.
Wir sind zu zweit unterwegs, die Rucksäcke vollgepackt mit Wasser, etwas Proviant, Hüttenschlafsack und Vorfreude. Wer mag, kann sich den ersten Abschnitt mit der Seilbahn Pfingstegg erleichtern – sie spart etwa 300 Höhenmeter und rund 45 Minuten Gehzeit. Da wir immer noch für unser Everesting-Event trainieren, wollen wir jeden Höhenmeter mitnehmen.
Von Grindelwald zur Bäregghütte: Einstieg ins alpine Terrain
Der Aufstieg beginnt direkt steil am Dorfausgang. Hinter der Talstation der Seilbahn führt der Weg entlang einer asphaltierten Strasse zu den letzten Häusern vom Dorf und wechselt zu einem Wanderweg. Ab hier geht es nun den Rest des Tages steil hinauf in Richtung Schreckhornhütte. Schon bald öffnet sich der Blick zum Unteren Grindelwaldgletscher, der imposant unterhalb der gewaltigen Nordflanke des Wetterhorns liegt.
Nach rund zwei Stunden erreichen wir die Bäregghütte (1.777 m), ein beliebtes Zwischenziel mit fantastischer Aussicht. Die große Sonnenterrasse bietet einen herrlichen Blick auf den Gletscher, das Tal und die umliegenden Gipfel. Besonders das Wetterhorn und die gegenüberliegenden Höhenzüge sind gut zu sehen. Wir legen hier eine ausgedehnte Pause ein, trinken kühles Sirupwasser und lassen uns einen leichten Imbiss schmecken. Die Bedienung ist herzlich und aufmerksam, und es fällt uns fast schwer, diesen Ort wieder zu verlassen. Doch das Abenteuer ruft. Uns ist auch bewusst, dass die kommenden Wegabschnitte kaum Schatten bieten, weshalb wir lieber nicht zu lange pausieren sollten.
Wer sich hier eine Pause gönnt, sollte einen Blick auf den Verlauf des Weges zur Schreckhornhütte werfen – ab jetzt wird es deutlich alpiner. Ab der Bäregg ist der Pfad als T3 bis T4 (Schweizer Wanderskala) eingestuft und verlangt Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und gute Kondition.
Ins Rote Gufer: Durch Geröll und Gletscherblick
Hinter der Hütte verlieren wir anfangs leicht an Höhe, bevor der Weg sich wieder steil durch Geröllfelder und blockige Hänge hinaufzieht. Es ist klar ersichtlich, dass es hier immer wieder zu Hangrutschen kommt und der Weg wohl regelmässig neu angelegt werden muss.
Ohne viel Höhenverlust schlängelt sich der schmale Höhenweg entlang des Bergs und führt uns immer näher an den Gletscher heran, den wir bereits direkt in Grindelwald sehen konnte. Wir nähern uns einer kargen, steinigen Landschaft, dominiert von der Gletscherwelt und durchsetzt mit schmelzwassergefüllten Rinnen.
Unterwegs queren wir mehrere Bäche, die über den Weg laufen oder darunter hindurchrauschen. Bei Trockenheit sind diese gut passierbar, aber nach Regenfällen können sie deutlich anschwellen – wer hier unterwegs ist, sollte sich auf nasse Füße einstellen oder wasserdichtes Schuhwerk mitbringen.
Was den T4-Abschnitt besonders macht
Ab etwa 2.200 Metern wechselt die Tour deutlich von der klassischen Bergwanderung (T3) in den alpinen Bereich der Stufe T4. Der Weg wird zunehmend schmaler und exponierter. Die Pfadspur führt oft entlang steiler Hänge, mit teils abschüssigem Terrain zur Seite. Fehltritte sind hier unbedingt zu vermeiden. Der Weg beginnt mit der ersten Kette und einer Hinweistafel. Im Laufe der letzten Jahren wurden die Ketten immer wieder erweitert, so dass der Weg für jeden, der gerne T4-Wanderwege macht und sich im ausgesetzten Gelände sicher fühlt und trittsicher ist, ein wahrer Genuss sein wird.
Besonders heikel sind einige Passagen mit glatten Felsplatten, bei denen man sich auf Eisenstifte oder Ketten verlassen muss. Die Hände kommen immer wieder zum Einsatz, sei es zum Festhalten oder zum Balancieren über schmale Gratabschnitte. Gute Bergschuhe mit griffiger Sohle sind hier Pflicht.
Die Steinschlaggefahr ist nicht zu unterschätzen, besonders bei Trockenheit und sehr hohen Temperaturen oder wenn andere Wanderer vorausgehen. Wir halten ausreichend Abstand, kommunizieren viel und achten bei jedem Schritt auf Trittsicherheit. Trotzdem bleibt die Stimmung gelassen, fast euphorisch – dieser Mix aus Konzentration, Körperbeherrschung und Aussicht ist der Stoff, aus dem Bergabenteuer gemacht sind.
Je höher wir steigen, desto eindrucksvoller wird die Gletscherkulisse: Der Untere Grindelwaldgletscher zieht sich in breiten, zerklüfteten Eisströmen unter uns durch das Tal. Die Farben reichen von schmutzigem Grau über tiefes Eisblau bis zu strahlendem Weiß – ein faszinierendes Naturbild.
Auch das Panorama wird immer beeindruckender. Links erhebt sich das Finsteraarhorn, rechts das Wetterhorn. Geradeaus thront das Schreckhorn, spitz und schneebedeckt, einer der schwersten Gipfel der Berner Alpen. Auch das Lauteraarhorn zeigt sich in voller Pracht. Der Blick reicht bei klarem Wetter bis zum Eiger, zur Jungfrau und über das gesamte Massiv der Berner Hochalpen. Es ist faszinierend, den Eiger mal komplett von der Rückseite zu sehen, da man ja sonst eher die markante Nordwand zu Gesicht bekommt. Auch der markante Gipfel des Mönchs mit dem messerscharfen Grat ist gut zu sehen.
Letzter Aufstieg zur Hütte: Leitern, Seile, Tiefblicke
Die letzten 200 Höhenmeter haben es in sich. Der Weg wird nochmals steiler, ausgesetzter und spektakulärer. Zwei lange, gut verankerte Eisenleitern helfen bei fast senkrechten Aufschwüngen, kurz darauf folgen Drahtseile und Tritte entlang einer Felswand. Nichts für schwache Nerven – aber stets gut abgesichert.
In diesem Abschnitt ist Konzentration oberstes Gebot. Wer müde Beine hat oder nicht schwindelfrei ist, sollte an Pausen denken und sich Zeit lassen. Die Tiefblicke in die Gletscherlandschaft unter uns sind spektakulär, können aber auch herausfordern. Wer hier unterwegs ist, bewegt sich bereits am Rand des hochalpinen Raums.
Wir wandern wie in einem Bilderbuch – hinter jeder Ecke öffnet sich ein neuer, unglaublicher Blick auf die Bergwelt und wir kommen dem Gletscher näher als erwartet. Fast hat man das Gefühl, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um ihn zu berühren.
Wir wandern wie in einem Bilderbuch – hinter jeder Ecke öffnet sich ein neuer, unglaublicher Blick auf die Bergwelt und wir kommen dem Gletscher „Oberes Eismeer“ näher als erwartet. Fast hat man das Gefühl, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um ihn zu berühren.
Ich bin bei blau-weiss markierten Wanderungen immer hin und hergerissen. Mein Mann möchten am liebsten nur solche machen und ich denk dann ständig an meine leichte Höhenangst. Alleine mache ich keine blau-weissen Touren – da habe ich zuviel Respekt. Mit Begleitung, dem notwendigen guten Zureden und auch mal einer ausgestreckten Hand geht es aber sehr gut. Diese Wanderung wird durch die Leitern und zahlreichen Ketten zur T4-Wanderung, aber es gibt keine heiklen Stellen, die man nicht meistern könnte. Daher eignet sich diese Tour gut als Einstieg für alle, die bereits Erfahrungen mit T3-Wanderungen haben und sich nun an die nächste Schwierigkeit heranwagen möchten.
Nach etwa 6 Stunden (ab Grindelwald) erreichen wir schließlich die Schreckhornhütte. Sie thront wie ein Adlerhorst auf einem Felsvorsprung über dem Gletscher, die Luft ist dünn und klar, die Aussicht schlicht atemberaubend. Unter uns das Gletscherbecken, darüber das Gestein und Eis des Schreckhornmassivs.
Ankommen auf der Hütte: Sonnenuntergang am Gletscher
Die Hütte des SAC Basel wurde zuletzt 2004 modernisiert, bietet aber weiterhin echtes Hüttenfeeling: einfache Lager, gute Verpflegung, ein warmes Hütten-Team und Geschichten von Alpinisten an jedem Tisch. Wir gönnen uns einen erfrischenden, gekühlten Sirup und lassen uns in einem der perfekt platzierten Liegestühle nieder. Da wir an einem Samstag unterwegs sind, ist die Hütte erwartungsgemäss ausgebucht, so dass hier oben viel los ist.
Nach einem feinen Abendessen lassen sich die meisten vor der Hütte in der Nähe der Fahne nieder, um auf den Sonnenuntergang zu warten.
Dann geschieht es: Der Sonnenuntergang taucht den Gletscher in ein warmes, goldgelbes Licht. Die Eismassen leuchten wie Bernstein, während die Gipfelspitzen zuletzt in Rosa aufglühnen.
Fazit Tag 1: Anspruchsvoll, aber unvergesslich
Die Tour ist fordernd, technisch anspruchsvoll in Teilen, aber nie übertrieben schwierig. Wer trittsicher ist und sich auf alpines Terrain einlassen will, wird mit einer der spektakulärsten Hüttenwanderungen belohnt, die das Berner Oberland zu bieten hat. Die Kombination aus Gletscherblicken, Felslandschaft, alpiner Herausforderung und Hüttenromantik ist schwer zu toppen.
Der Rückweg am zweiten Tag führt über dieselbe Route. Unterwegs treffen wir immer wieder auf Wanderer, die auch auf der Hütte übernachtet haben und man fühlt sich wie eine Wanderfamilie, die zusammen ins Tal absteigt.
Tickets
Falls du die Tour verkürzen möchtest und mit der Seilbahn nach Pfingstegg fahren möchtest, würde ich dir empfehlen, die Tickets bereits online im Voraus zu kaufen. Da Grindelwald sehr touristisch ist und dort auch mal eine ganze Busladung abgesetzt wird, kann es an der Kasse zu langen Wartezeiten kommen.
Übernachtungstipp
Wenn du eine weite Anreise hast und bereits am Vortag in Grindelwald übernachten möchtest oder auch länger in der Gegend bleiben möchtest, kann ich dir die Jugendherberge Grindelwald empfehlen. Wunderschönes, altes Holzhaus und durch die erhöhte Lage auch ein toller Blick auf den Eiger. Wir haben in einem riesigen 4-Bett-Zimmer mit eigenem Balkon übernachtet und fühlten uns ins letzte Jahrhundert versetzt.
ECKDATEN
| Dauer | 6:05 Stunden |
| Länge | 10.9 km |
| Höhenunterschied | ↗ 1615m ↘ 142m |
| Schwierigkeit | T4 |
| Lage | Kanton Bern |
| Tour durchgeführt im | Juni 2025 |
| Geeignet für Kinder | Bergerfahrene und ausdauernde Kinder am besten ab Teenageralter, da lange und ausgesetzte Tour |
| Genaue Route | Grindelwald – Bäregg – SAC Schreckhornhütte |
| Geeignet für Kinderwagen | Nein |
| Geeignet für Hunde | Es hat mehrere Leitern auf dem Weg. Habe einige Hunde gesehen. |
| Buchempfehlung | Alpinwandern Von Hütte zu Hütte: 103 Tourenvorschläge zwischen Genfersee und Unterengadin |
2 Gedanken zu „Wanderung zur Schreckhornhütte: Im Schatten der Giganten“
Schöner Bericht. Wir überlegen uns die Wanderung in Anspruch zu nehmen. Ich glaub der Kommentar, dass das Schreckhorn der höchste komplett innerhalb der Schweiz liegende Berg ist, allerdings nicht stimmt 🧐. Man denkt an den benachbarten Mönch und Jungfrau. Trotzdem danke für den Beitrag, liest sich schön und ist sehr informativ.
Hallo Christopher, ja du hast da recht! Es gibt noch ein paar andere Gipfel, die höher sind. Ich habe es im Text angepasst;-) Zumindest ist es scheinbar der anspruchsvollste Gipfel der Berner Alpen. LG Silvie