
Via Silenzi Tag 2: Winterliche Stille auf dem Weg von Lü zum Ofenpass
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WT2
557m
325m
4:30
Nov-Mär
12.5km
Tag 2 der Via Silenzi führt von Lü zum Ofenpass durch die stille, weite Landschaft des Murters da Champatsch. Nach einem sanften Aufstieg öffnet sich ein beeindruckendes Hochtal mit alpiner Kulisse. Auf aussichtsreichen Pfaden geht es durch duftende Lärchenwälder und über weite Matten zum Ofenpass – ein stiller, meditativer Wandertag in abgelegener Natur.
Der Tag startet sehr früh. Um 6 Uhr frühstücken wir im Hotel Alpina – wieder einmal zeigt sich die Gastgeberfamilie unglaublich flexibel. Um 7 Uhr sind wir abmarschbereit, denn auch heute gilt es, mögliche Lawinenhänge früh zu passieren. Der Himmel ist noch grau verhangen, doch bereits beim Aufstieg zeigt sich der erste blaue Fleck. Das Wetter bessert sich kontinuierlich, und im Laufe des Vormittags werden wir mit strahlendem Sonnenschein belohnt.


Von Lü aus wandern wir in sanftem Auf und Ab über verschneite Alpwiesen und durch lichte Wälder, stets mit Blick auf die eindrückliche Bergkulisse rund um das Val Müstair. Das Gelände ist abwechslungsreich, mal weit und offen, mal dichter bewaldet. In der Ferne ragen die Gipfel der Sesvennagruppe in den Himmel. Unsere Wanderleiterin holt uns bereits um 7 Uhr am Hotel ab und fährt uns mit dem Auto wieder hinauf nach Lü. So starten wir auf dem uns bereits bekannten Weg und laufen entlang des Pfads, den wir schon von gestern kennen.


Bereits nach einigen Minuten packt unsere Bergwanderleiterin ihr Fernrohr aus und zeigt uns eine kleine Gruppe von Steinböcken und Berggämsen, die im Morgengrauen oben am Berg chillen. Danach geht es weiter auf dem Winterwanderweg hoch zur Alp Champatsch. Der Weg ist heute vom nächtlichen Schneefall leicht gezuckert, so dass wir gerade noch unsere Spuren vom gestrigen Tag erblicken können.

Es folgt ein kurzer, aber recht steiler Anstieg auf einem markierten Winterwanderweg, der unseren Puls beschleunigt. Über uns kreist zuerst ein Adler und später dann für einen kurzen Augenblick sogar zwei Bartgeier. Chantal erzählt uns, dass hier in der Nähe zwischen 1991 und 2007 26 junge Bartgeier ausgewildert wurden und diese sich mittlerweile so sehr vermehrt haben, dass keine weiteren Bartgeier mehr ausgewildert werden müssen und der Fortbestand in dieser Gegend gesichert ist.
Oben angekommen legen wir die ersten Pause ein, trinken einen Schluck heissen Tee und beobachten ein weiteres Mal ein paar Steingeissen durchs Fernrohr. Ab hier verläuft der Weg ohne Markierung weiter.


Wir reihen uns in gleichmässigem Tempo aneinander. Chantal, unsere Wanderleiterin, übernimmt das Spuren, doch bald wechseln sich einzelne Teilnehmende hinter ihr ab. Wer hinten geht, hat es deutlich leichter – der frisch getretene Weg ermöglicht ein entspanntes Vorankommen, und das ruhige Tempo gibt Raum für eigene Gedanken.


Im Laufe des Vormittags lichtet sich der Himmel, erste Sonnenstrahlen durchbrechen die Wolkendecke und lassen die Schneelandschaft förmlich aufleuchten. Die Stimmung hellt sich mit dem Licht, und wir genießen diesen stimmungsvollen Wintertag in vollen Zügen. Nachdem wir den ersten Aufstieg gemeistert haben, gelangen wir in eine Mulde, die mit frischem, pulvrigem Schnee bedeckt ist. Im Hintergrund ragen der Piz Vallatscha und der Piz d’Astras empor. Auch hier dürfen wir die ersten Spuren im Schnee hinterlassen.


Inzwischen befinden wir uns auf einer traumhaft weiten Hochebene – umgeben von einer stillen, tief winterlichen Landschaft. Der Schnee liegt in makellosem Weiß über den Hügeln, so weit das Auge reicht. Kein Laut, keine Spur von anderen Menschen – wir sind ganz allein in dieser eindrucksvollen Szenerie. Vorsichtig queren wir den ersten heiklen Hang, mit dem nötigen Abstand zueinander, um keine Lawinengefahr heraufzubeschwören. Kurz darauf folgt ein weiteres exponiertes Stück, das wir ebenso umsichtig und mit Abstand passieren. Dann ist es geschafft: Die heiklen Stellen des heutigen Tages liegen hinter uns.
Um auch uns ein besseres Verständnis zu vermitteln, gibt es bei der nächsten Pause einen kurzen Crashkurs zum Thema Lawinen. Chantal teilt ihre Überlegungen mit uns, warum wir den Kessel entlang einer bestimmten Flanke passieren und warum einige Passagen nur einzeln betreten werden dürfen. Ich bin immer wieder sehr interessiert, wenn Wanderleiter und Bergführer ihr Wissen mit den Teilnehmern teilen, da ich dann auch jedes Mal etwas für mich und meine eigenen Touren lernen kann!


Die Landschaft hier oben ist atemberaubend – wir können uns kaum sattsehen an der weiten, glitzernden Winterwelt. Allmählich lockert sich die Wolkendecke, erste blaue Fenster öffnen sich am Himmel. Eine stille, fast magische Stimmung liegt über der Ebene. Inmitten dieses winterlichen Zaubers auf Schneeschuhen unterwegs zu sein, fühlt sich an wie ein Geschenk – ein Moment, den man am liebsten festhalten möchte.


Auf einem kleinen Gipfel machen wir eine Pause für Fotos und erblicken nun endlich die Strecke, die wir gestern zurückgelegt haben. Doch gestern war die Sicht so schlecht, dass wir überhaupt nichts von der Umgebung sehen konnten.



Wir haben inzwischen bei der Fuorcla Funtana da S-Charl den höchsten Punkt des heutigen Tages erreicht und setzen unseren Weg fort, fast ohne nennenswerte Höhenunterschiede, bis wir die Skibar Aunta erreichen, die sich im kleinen Skigebiet Minschuns befindet. Doch seit einigen Tagen ist das Skigebiet geschlossen, sodass es hier oben völlig ruhig ist.


Es erwartet uns ein weiteres landschaftliches Highlight, als wir in Richtung Ofenpass absteigen. Vor uns breitet sich eine beeindruckende Bergkulisse aus, deren scharfe Konturen fast schon unrealistisch wirken – die Szenerie könnte nicht kitschiger sein.


Chantal leitet uns über einen schmalen Hang, der von niedrig wachsenden Sträuchern bedeckt ist – eine amüsante Erfahrung! Trotz der relativ steilen Passage ist dieser Abschnitt gut zu bewältigen.




Nach einiger Zeit kommen wir an unserem nächsten Rastplatz an, und unsere Wanderleiterin überrascht uns mit einer spannenden Sage aus dem Val Müstair. Wir sind so fasziniert, dass wir auch für die Buffalora-Tour am nächsten Tag eine Sage erbitten, die sie mit großer Begeisterung erzählt. Eine leidenschaftliche Wanderleiterin kann eine solche Tour wirklich bereichern, und ich beginne, den Gedanken zu schätzen, nicht nur alleine, sondern auch in einer Gruppe mit einem Guide unterwegs zu sein.


Am Ende vom Abstieg durch den lichten Wald erreichen wir eine grosse offene Fläche. Hier können wir ein weiteres Mal Steingeissen durch das Fernrohr erblicken und legen unsere wohlverdiente Mittagspause ein. Nach dieser Pause ist es noch ein kurzer Abstieg zur Ofenpassstrasse. Nachdem wir diese überquert haben, folgt ein letzter 20-minütiger steiler Aufstieg bis zum Hotel, welches direkt an der Passstrasse liegt.



Zur Mittagszeit herrscht hier reges Treiben, und das Restaurant ist gut besucht von Tagesgästen. Am Abend jedoch werden wir die einzigen Gäste sein und können die Ruhe in vollen Zügen genießen. Das Hotel Süsom Givè ist ein klassisches Passhotel, das viele Parkmöglichkeiten bietet und speziell auf Auto- und Motorradfahrer ausgerichtet ist. Es verfügt über 11 Zimmer, die 2019 renoviert wurden und jetzt in einem ausgezeichneten Zustand sind. Wir genießen den Komfort und die modernen sanitären Einrichtungen. Wer möchte, kann sich in der hauseigenen Sauna entspannen oder im Whirlpool die Seele baumeln lassen.


Da wir am heutigen Tag bereits früh aufgebrochen sind, erreichen wir bereits um 12 Uhr unser Hotel. Da ich wohl erstmal nicht so schnell wieder in dieser Gegend sein werde, mache ich mich nach einer schnellen Dusche auf den Weg und unternehme noch eine Winterwanderung von Lü nach Santa Maria. Vorm Hotel befindet sich direkt eine Postautohaltestelle und als Übernachtungsgast erhälst du in allen Unterkünften eine Gästekarte, so dass die Benutzung der öffentlichen Busse kostenlos für dich ist. Bei der Rückfahrt erreicht mein Bus das Hotel 15 Minuten vorm geplanten Abendessen – just in time! Nun habe ich mich genug ausgetobt und spüre die Erschöpfung des Tages!
Am Abend bekommen wir auch in diesem Hotel ein sehr feines 3-Gänge-Menü und fallen dann wie bereits am Vorabend müde ins Bett.


ECKDATEN
Dauer | 3:45 Stunden |
Höhenunterschied | ↗ 557m↘ 325m |
Schwierigkeit | WT2 |
Länge | 12.5 km |
Lage | Kanton Graubünden |
Genaue Route | Lü – Alp Champatsch – Fuorcla Funtana da S-Charl – Süsom Give (Ofenpass) |
Tour durchgeführt im | März 2025 |
Geeignet für Kinder | Durch die geringe Länge für Kinder ab 12 Jahren geeignet. Technisch unkompliziert. |
Buchempfehlung für weitere Schneeschuhtouren in der Schweiz | Das grosse Schneeschuhtourenbuch der Schweiz |
Offenlegung: Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Graubünden Ferien und Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair. Dennoch bleiben meine persönlichen Meinungen, Ansichten und Ratschläge unverändert, da der Tourismusverband keine Einflussnahme auf die Berichterstattung ausgeübt hat.

