Jotunheimen Trekking: Tag 3 von Spiterstulen nach Leirvassbu

Jotunheimen Trekking: Tag 3 von Spiterstulen nach Leirvassbu

trekking

T2

392m

88m

04:30

Jun-Okt

15.2km

Der Morgen in Spiterstulen beginnt ruhig. Durch die Fenster des Speisesaals sehen wir graue Wolken über das Visdalen ziehen. Die Luft ist klar und kühl, aber trocken – kein Regen, kein Wind. Es ist einer dieser typischen Hochgebirgstage, an denen sich die Sonne nicht zeigt, die Welt aber dennoch still und klar wirkt.

Das Frühstücksbuffet ist, wie in den meisten DNT-Hütten, umfangreich und nahrhaft. Auf mehreren Tischen stehen Platten mit Käse, Wurst, Lachs und Hering, daneben Schüsseln mit Rote Bete, Eiern, Aufstrichen und Haferbrei. Müsli, Joghurt und frisches Brot ergänzen das Angebot. Es ist ein Buffet, das auf Kraft und Ausdauer ausgelegt ist – herzhaft, einfach, sättigend.

Zum Frühstück gehört auch das Lunchpaket. Jeder Wanderer darf sich ein Proviantpaket für den Tag zusammenstellen – Brot, Butter, Beläge und Einwickelpapier stehen bereit. Wir schmieren große Sandwiches, belegen sie mit Käse, Lachs und Gurken und wickeln sie sorgfältig ein. Die Jungs haben Routine – das System ist praktisch und typisch norwegisch. Zum Schluss füllen wir unsere Wasserflaschen, verstauen alles in den Rucksäcken und ziehen kurz vor neun los.

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Draußen liegt das Tal still. Über den Hängen hängen Wolken, die Gipfel sind nicht zu sehen. Wir starten in leichten Jacken, die Temperatur liegt bei etwa zehn Grad – ideales Wanderwetter, wenn auch ohne Aussicht auf Sonne.

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Entlang des Visdøla

Hinter Spiterstulen führt der DNT-Weg zunächst flach entlang des Visdøla-Flusses. Das Rauschen des Wassers begleitet uns, während wir über Wiesen und kleine Geröllfelder gehen. Der Weg ist gut markiert, aber stellenweise uneben. Schon nach kurzer Zeit zweigt der Pfad vom Tal ab und steigt über einen steinigen Hang in Richtung Westen.

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Der Untergrund ist von Beginn an typisch für Jotunheimen – kantige Felsen, dazwischen Flechten und Grasbüschel. Zwischen den Steinen glitzern kleine Wasserläufe. Der Himmel bleibt gleichmäßig grau, die Wolken bewegen sich träge über die Berge.

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Heute sind wir nicht allein. Schon nach der ersten halben Stunde begegnen wir den ersten Wanderern, die aus der Richtung Leirvassbu kommen. Man grüßt sich, bleibt kurz stehen, tauscht ein paar Worte über Wegbeschaffenheit und Wetter. Später überholen uns zwei junge Norweger mit großen Rucksäcken – sie sind eine Woche mit dem Zelt unterwegs, erzählen, dass sie möglichst viele Täler des Jotunheimen verbinden wollen. Das Gespräch bleibt kurz, doch die Begegnungen geben dem Tag eine andere Dynamik als an den Vortagen, an denen wir meist allein waren.

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Der Aufstieg zur Hochfläche

Nach rund einer Stunde beginnt der Weg spürbar anzusteigen. Er zieht sich in langen Kurven den Hang hinauf, zwischen grauen Felsen und vereinzelten Schneeflecken. Der Blick zurück zeigt das tiefe, grüne Visdalen, das im diffusen Licht fast schwarz wirkt.

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Die Steigung ist gleichmäßig, technisch leicht, aber kräfteraubend. Der Untergrund wechselt zwischen erdigem Pfad und grobem Blockwerk. Immer wieder queren wir kleine Rinnsale, die aus den Hängen herunterkommen.

Oben auf etwa 1.400 Metern Höhe wird das Gelände flacher. Der Pfad führt nun durch eine weite Hochfläche – steinig, karg und offen. Die Vegetation beschränkt sich auf Moose, Flechten und niedrige Gräser. Nur hin und wieder leuchten kleine Farbtupfer von Alpenblumen im grauen Umfeld.

Trotz der Wolken herrscht gute Sicht. In der Ferne erkennen wir einzelne Wandergruppen, die sich wie kleine Punkte über die Ebene bewegen. Es ist mehr Betrieb als erwartet, aber die Landschaft bleibt weit genug, um nie überlaufen zu wirken.

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Am See unter dem spitzen Gipfel

Kurz nach der Brücke öffnet sich das Gelände. Vor uns liegt ein kleiner Bergsee, eingefasst von grauen Felsen. Dahinter ragt ein markanter, spitzer Gipfel auf, dessen Form sofort auffällt – schmal, steil, fast wie ein Kegel. Die Wolken hängen tief, doch die Konturen des Berges sind klar erkennbar.

Wir machen eine Pause am Ufer. Das Wasser ist eiskalt, glatt und klar. Für meinen ältesten Sohn ist das kein Hindernis: Er zieht sich die Schuhe aus, läuft über die rutschigen Steine und geht tatsächlich baden – trotz der kühlen Luft und kaum zweistelliger Temperaturen. Er schwimmt kurz hinaus, lacht, kommt rasch wieder zurück. Der Kontrast zwischen der Bewegung im Wasser und der stillen Landschaft ist beeindruckend.

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Während wir noch lachen und Handtücher ausbreiten, passiert direkt in unserer Nähe ein Zwischenfall. Ein anderer Wanderer, etwa fünfzig Jahre alt, stolpert am Ufer. Sein Rucksack ist riesig und schwer – offenbar für eine mehrtägige Zelttour. Beim Versuch, das Gleichgewicht zu halten, kippt er nach hinten und fällt seitlich auf die Steine. Zum Glück steht er nach kurzer Zeit wieder auf, nur leicht verdreckt, aber unverletzt.

Es ist ein kurzer Moment, der uns allen bewusst macht, wie schnell etwas passieren kann. Ein falscher Schritt, ein zu schwerer Rucksack, und die Tour könnte vorbei sein. Wir helfen ihm beim Aufstehen, er bedankt sich, lacht verlegen und zieht weiter. Danach ist es stiller als zuvor.

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Mittagspause im Windschatten

Später suchen wir einen windgeschützten Platz zwischen zwei Felsen. Der Boden ist feucht, aber fest genug zum Sitzen. Wir packen unsere Sandwiches aus – Käse, Lachs, Brot und Gurken. Dazu heißer Tee aus der Thermoskanne.

Die einfache Mahlzeit passt perfekt zu dieser Umgebung: kein Komfort, aber alles Nötige vorhanden. Von hier oben sehen wir weit über die Ebene, doch die Sicht endet an den tiefhängenden Wolken. Nur gelegentlich öffnet sich für einen Moment ein Fenster, das einen Blick auf schneebedeckte Gipfel im Westen freigibt.

Nach etwa zwanzig Minuten brechen wir wieder auf. Die Rucksäcke sind leichter, der Weg führt weiter durch leicht abfallendes Gelände.

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Der Abstieg ins Leirdalen

Am Nachmittag senkt sich der Pfad langsam in Richtung Leirdalen. Zunächst bleibt das Gelände felsig, dann wird es zunehmend grüner. Kleine Bäche durchziehen die Wiesen, und die ersten Birken tauchen auf – ein Zeichen, dass wir wieder tiefer kommen.

Das Tal öffnet sich weit, eingerahmt von dunklen Bergen, deren Gipfel in den Wolken verschwinden. Der Fluss Leira zieht sich in breiten Windungen durch das Tal, sein Rauschen begleitet uns die letzten Kilometer.

In der Ferne ist schon die Hütte Leirvassbu zu erkennen – ein helles, langgestrecktes Gebäude am Ufer eines kleinen Sees. Der Weg dorthin zieht sich noch über flache Wiesen, durchsetzt mit Steinplatten und schmalen Wasserläufen. Die letzten Meter gehen leicht, fast gemütlich.

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Ankunft in Leirvassbu

Nach rund sieben Stunden erreichen wir die Hütte. Leirvassbu liegt auf 1.400 Metern Höhe und ist eine der größten DNT-Hütten in Jotunheimen. Heute liegt sie im grauen Licht, umgeben von Nebel und Stille. Nur der See spiegelt matt die Wolkendecke wider.

Im Eingangsbereich riecht es nach feuchter Kleidung und Holz. Rucksäcke stehen in Reih und Glied, Stiefel trocknen auf Matten. Wir checken ein, hängen unsere Jacken auf und setzen uns in den Aufenthaltsraum. Dort sitzen bereits einige der Wanderer, denen wir unterwegs begegnet sind. Gespräche entstehen schnell – über Etappen, Wetter und Ausrüstung. Es ist eine angenehme Mischung aus Ruhe und Geselligkeit.

Zum Abendessen gibt es Suppe, Fisch und Kartoffeln, dazu frisches Brot. Die Portionen sind großzügig, das Essen schlicht, aber gut. Die Atmosphäre ist typisch norwegisch: ruhig, respektvoll, ohne Hektik.

Nach dem Essen sitzen wir noch eine Weile zusammen, schreiben Notizen, sortieren Kartenmaterial und besprechen die nächste Etappe. Draußen bleibt es hell, aber farblos. Das Tageslicht verliert kaum an Intensität – es ist diese endlose Dämmerung, die das Hochgebirge so besonders macht.

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Fazit des Tages

Die Etappe von Spiterstulen nach Leirvassbu ist lang, aber technisch leicht – etwa 18 Kilometer mit rund 600 Höhenmetern im Aufstieg und 300 im Abstieg. Sie führt durch eine weite, steinige Hochfläche, geprägt von Ruhe und Weite.

Anders als an den Vortagen begegnen wir heute vielen anderen Wanderern, darunter mehrere, die mit Zelt unterwegs sind. Die kurzen Gespräche unterwegs und die Szene am See – mit Bad im eiskalten Wasser und einem Sturz, der glimpflich ausgeht – verleihen dem Tag eine lebendige, fast lehrreiche Note.

Das Wetter bleibt trüb und bewölkt, die Temperaturen angenehm. Es ist ein stiller, gleichmäßiger Wandertag – unspektakulär, aber eindrucksvoll durch seine Weite, die Holzbrücke über den Bach, die Begegnungen und den Moment, in dem uns bewusst wird, wie schmal der Grat zwischen Abenteuer und Risiko sein kann.

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ECKDATEN

Dauer4:30 Stunden
Länge15.2 km
Höhenunterschied↗ 392m ↘ 88m
SchwierigkeitT2
LageGemeinde Lom, Norwegen
Tour durchgeführt imJuli 2025
Geeignet für KinderAb ca. 8 Jahren. Tour technisch nicht zu anspruchsvoll, aber es müssen einige Bäche durchquert und Geröll überquert werden.
BuchempfehlungRother Wanderführer Norwegen Süd

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