Jotunheimen Trekking: Tag 1 von Gjendesheim nach Glitterheim
Silvie Kommentare 0 Kommentare
T2
920m
529m
06:50
Jun-Okt
22km
Anreise und Startpunkt
Unser 5-tägiges Jotunheimen-Trekking beginnt am Parkplatz am Gjendevatnet, dem langen, türkisfarbenen See im Herzen des Nationalparks. Wir haben den Parkplatz bereits im Voraus online gebucht – ein wichtiger Schritt, denn die Parkplätze hier sind begrenzt, besonders in der Hauptsaison. Das Auto bleibt für die kommenden fünf Tage stehen, während wir zu Fuß durch die Berge unterwegs sind.
Die Organisation ist einfach: Mit der Buchung des Parkplatzes kann man gleich den Bus nach Gjendesheim reservieren, der regelmäßig zwischen den Parkplätzen und dem Startpunkt verkehrt. Die Busse fahren etwa alle 15 bis 30 Minuten und sind morgens auf die Abfahrtszeiten der Boote abgestimmt, die Wanderer über den Gjendesee nach Memurubu oder Gjendebu bringen.
Wir steigen also mit unseren Rucksäcken in den Bus, zusammen mit einer Handvoll anderer Wanderer, die an diesem grauen Vormittag in alle Richtungen aufbrechen. Die Fahrt dauert nur wenige Minuten. Schon bald stehen wir vor der bekannten DNT-Hütte Gjendesheim, auf 995 Metern Höhe – dem Ausgangspunkt vieler Touren im Jotunheimen.
Das Wetter ist ungemütlich. Tiefe Wolken hängen über dem See, ein feiner Nieselregen liegt in der Luft. Trotzdem herrscht Vorfreude: Fünf Tage Trekking durch eines der wildesten Gebiete Norwegens liegen vor uns. Mit dabei sind unsere beiden Jungs, 15 und 18 Jahre alt.
Alle gehen zum Besseggen-Grat – nur wir nicht
Vor der Hütte ist viel Betrieb. Wanderer stehen in Regenjacken an der Bootsanlegestelle, warten auf die Fähre nach Memurubu. Fast alle wollen heute den Besseggen-Grat gehen – den berühmten Kamm zwischen dem türkisfarbenen Gjendesee und dem dunkleren Bessvatnet.
Für den Grat wäre heute kein guter Tag. Wolken hängen tief über dem Wasser, und die Sicht geht kaum zwanzig Meter weit. Wir wissen noch nicht, dass wir am letzten Tag unserer fünftägigen Tour bei strahlendem Sonnenschein über diesen Grat gehen werden – heute aber beginnt unser Weg in einer ganz anderen Stimmung: still, nass und rau.
Wir dagegen biegen in die entgegengesetzte Richtung ab, Richtung Glitterheim. Schon nach wenigen Minuten sind wir allein. Kein Mensch folgt unserem Weg. Der schmale Pfad führt bergauf, hinein in die graue Stille der Berge.
Aufstieg über die Baumgrenze
Hinter Gjendesheim steigt der markierte Pfad stetig an. Schon nach kurzer Zeit lassen wir die letzten Birken hinter uns, und das Gelände öffnet sich. Der Weg ist deutlich erkennbar, mit den typischen roten T-Markierungen des Norwegischen Wandervereins versehen.
Das Gelände ist typisch für die alpine Zone Jotunheimens: graue Steine, Moose, nasse Flechten, zwischendurch Wasserläufe. Je höher wir steigen, desto karger wird die Landschaft. Der Wind frischt auf, und der Regen nimmt zu. Die Temperatur liegt deutlich unter zehn Grad – Sommer sieht hier anders aus.
Immer wieder blicken wir zurück zum Gjendesee, der in seiner charakteristischen, milchig-türkisen Farbe tief unter uns liegt. Selbst bei trübem Wetter wirkt er fast unwirklich hell. Nach rund einer Stunde erreichen wir flachere Abschnitte, der Pfad zieht sich über offene Felsflächen weiter Richtung Norden.
Entlang des Bessvatnet
Nach knapp zwei Stunden taucht der Bessvatnet auf, ein langgestreckter Bergsee auf rund 1.373 Metern Höhe. Das Wasser ist dunkelblau, glatt und von Nebel umhüllt. Auf der gegenüberliegenden Seite erheben sich graue Felswände, deren Konturen in den Wolken verschwimmen.
Der Weg führt am westlichen Ufer entlang, auf teils schmalen, steinigen Pfaden. Wir gehen vorsichtig, denn die Felsen sind nass und rutschig. Kleine Bäche kreuzen den Weg, gespeist vom Schmelzwasser höherer Schneefelder.
Menschen begegnen wir keine. Nur eine kleine Gruppe kommt uns entgegen, dann sind wir wieder allein. Diese Ruhe ist selten – in der Hochsaison sind viele Wanderwege im Jotunheimen gut besucht. Heute aber wirkt die Landschaft leer und still. Der Regen dämpft jedes Geräusch, und wir hören nur das Schlagen unserer Schritte auf den Steinen.
Zwischendurch reißen die Wolken kurz auf. Für einen Moment zeigen sich Schneefelder und kleine Gipfel rund um das Becken. Doch gleich danach zieht der Nebel wieder zu.
Über den Pass zum Russvatnet
Am Nordende des Bessvatnet steigt der Weg erneut an. Wir passieren weite Geröllfelder, überqueren kleine Schneefelder und folgen den Markierungen weiter bergauf. Hier wird der Untergrund zunehmend rau. Große, flache Steinplatten wechseln sich mit Schotter und Felsblöcken ab.
Nach etwa 9 Kilometern erreichen wir den höchsten Punkt der Etappe, einen namenlosen Sattel zwischen Bessvatnet und Russvatnet auf rund 1.500 Metern Höhe. Der Wind pfeift kräftig, und dichter Nebel zieht durch die Senke. Wir machen nur kurz Halt – es ist zu ungemütlich, um länger zu bleiben.
Dann öffnet sich das Gelände nach Westen, und unter uns liegt der Russvatnet. Sein graublaues Wasser verschmilzt mit dem Himmel, kaum ein Unterschied zwischen See und Wolke. Der Pfad zieht sich in weiten Bögen hinab zum Talgrund, vorbei an einzelnen Felsblöcken und kleinen Schneeresten.
Die letzten Kilometer
Das Veodalen zieht sich in sanften Kurven nach Norden. Immer wieder queren wir kleine Bäche, meist über Holzbohlen oder große Steine. Der Weg ist hier weniger steinig, aber teilweise matschig. Nach Stunden des Gehens stellt sich eine gleichmäßige Müdigkeit ein – nicht erschöpfend, aber stetig.
Hin und wieder öffnet sich der Blick für kurze Momente, und man erkennt zwischen den Wolkenrändern graue Gipfelstrukturen. Der Glittertind, Norwegens zweithöchster Berg, liegt irgendwo hinter der Nebelwand, noch unsichtbar.
Wir wissen, dass die Hütte nicht mehr weit sein kann. Doch das Tal ist weit, und immer wieder verschwindet der Weg hinter kleinen Geländekanten. Schließlich, nach etwa acht Stunden Gehzeit, tauchen in der Ferne einige Holzhäuser auf – Glitterheim.
Ankunft in Glitterheim
Die DNT-Hütte Glitterheim liegt auf 1.384 Metern Höhe, am Fuß des Glittertind. Sie besteht aus mehreren Gebäuden, umgeben von weiten Geröllflächen und niedrigen Grasinseln.
Als wir ankommen, fegt Wind über das Tal, und feiner Regen setzt erneut ein. Wir sind durchnässt, aber zufrieden. In der Hütte empfängt uns Wärme, Holzgeruch und der Klang klappernder Teller. Der Aufenthaltsraum ist schlicht, aber gemütlich: Holztische, Trockenleinen, ein Ofen in der Ecke.
Wir checken ein, hängen nasse Kleidung auf und setzen uns an einen Tisch mit Blick aus dem Fenster. Draußen ist alles grau, doch drinnen knistert das Feuer.
Am Abend gibt es ein einfaches, gutes Essen: Suppe, Brot, danach ein kräftiger Eintopf. Unsere Jungs spielen Karten, während draußen der Regen auf das Dach trommelt. Es sind nur wenige Gäste hier – offenbar hat das Wetter heute viele Wanderer abgehalten.
Später im Schlafraum hören wir das Rauschen des Veo, das stetig durch das Tal zieht. Morgen soll das Wetter besser werden. Vielleicht zeigt sich dann auch der Glittertind, der bislang verborgen geblieben ist.
Fazit
Die Etappe von Gjendesheim nach Glitterheim ist ein klassischer Einstieg in den Jotunheimen – fordernd, einsam und landschaftlich eindrucksvoll. Rund 22 Kilometer, etwa 700 Höhenmeter im Aufstieg und 400 im Abstieg erfordern Kondition und Trittsicherheit, besonders bei Nässe.
Der Weg führt über eine abwechslungsreiche Route: von den Ufern des Gjendesees über den Bessvatnet, hinab ins Tal des Russvatnet und weiter durch das offene Veodalen. Besonders markant sind die einsame Hochfläche und die schmale Hängebrücke – kleine Highlights in einer sonst stillen, weitläufigen Landschaft.
Das Wetter zeigt sich an diesem Tag von seiner rauen Seite, doch genau das gehört hier dazu. Jotunheimen ist kein Ort für Postkartenidylle, sondern für echte Naturerlebnisse – mit Wind, Regen, Nebel und Stille. Und während die meisten Wanderer heute nichts als Wolken am Besseggen sehen, führt unser Weg in die Einsamkeit – dorthin, wo das eigentliche Norwegen beginnt.
Hier geht es zu allen Etappen unserer Tour durch den Jotunheimen-Nationalpark:
ECKDATEN
| Dauer | 6:50 Stunden |
| Länge | 22 km |
| Höhenunterschied | ↗ 920m ↘ 529m |
| Schwierigkeit | T2 |
| Lage | Kommune Vågå, Norwegen |
| Tour durchgeführt im | Juli 2025 |
| Geeignet für Kinder | Aufgrund der Länge nur mit älteren Teenagern planen. Technisch wenig anspruchsvoll, aber dafür konditionell. Mit jüngeren Kindern unterwegs zelten. |
| Buchempfehlung | Rother Wanderführer Norwegen Süd |