
Allein im Tal der Granitriesen – Wanderung zur Capanna Basodino
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T2
917m
917m
04:55
Mai-Nov
11.1km
Einsamkeit im Val Bavona – Frühlingswanderung zur Capanna Basodino (Robiei)
Das Postauto fährt gemächlich die schmale Strasse entlang, vorbei an tosenden Wasserfällen, schroffen Felswänden und kleinen Steindörfern, die sich ans Tal schmiegen. Ich sitze komplett alleine im Bus und frage mich kurz, ob ich nicht doch hätte umdrehen sollen. Der Fahrplan dieser Linie ab Locarno und zurück ist dünn, viermal am Tag, mehr nicht. Doch ich will raus. Raus aus dem Alltag, rein in die Tessiner Berge. Mein Ziel: die Capanna Basodino (Robiei). Während der Bus gut gefüllt startete, stiegen die meisten Wanderer in Foroglio aus, um sich dort den herrlichen Wasserfall und das hübsche Dörfchen anzuschauen (mein Wandertipp: Sonlerto – Foroglio – Cavergno). Wenn ich alleine in den Bergen unterwegs bin, plane ich meine Touren immer besonders aufmerksam und vorsichtig, um kein Risiko einzugehen. Zudem sind im Mai noch Schneefelder zu erwarten, die ich so gar nicht mag. Deshalb muss ich schon ein wenig schlucken, als kein weiterer Wandere im Bus anzutreffen ist, der in dieser Gegend unterwegs sein wird.
Schon lange hatte ich einen Besuch dieser Hütte geplant, um weiter an meinem Hüttenprojekt zu arbeiten. Doch die Hütte ist für mich bisher fast unerreichbar gewesen. Mit der Anreise aus Zürich nach Locarno ist es ja noch lange nicht geschafft. Ab hier fährt das Postauto bis Bignasco und von dort weiter bis San Carlo. Ganz hinten im Val Bavona wird man mit dem Bus chauffiert, bis es nicht mehr weitergeht. Als Tagestour von Zürich nicht zu schaffen, so dass man in der Gegend übernachten muss. So nutze ich ein familienfreies Wochenende, um sowohl die Capanna Alzasca als auch die Capanna Basodino zu besuchen, um dann alle SAC-Hütten im Tessin von meiner Liste streichen zu können.


Bei meiner Tourenplanung schaue ich nicht ganz so genau und fahre daher bis zur letzten Station vom Bus und lande an der geschlossenen Seilbahnstation. Idealer wäre es, bereits eine Station vorher in San Carlo am Restaurant auszusteigen und direkt dort die Wanderung zu beginnen. Wie es der Zufall so will ist das Glück auf meiner Seite und ein anderer Wanderer aus der Region fragt mich, ob er mich ein Stück mitnehmen soll. Na das nehm ich doch gerne an – so spare ich mir fast 2km auf der geteerten Strasse und starte direkt am Kraftwerk Bavona.


Die Wanderung beginnt direkt steil. Vom Kraftwerk weg zieht sich der Pfad in engen Kehren den Hang hinauf. Der Weg führt durch lichten Wald, vorbei an knorrigen Kastanienbäumen, ersten Frühlingsblumen und bemoosten Steinmauern. Immer wieder öffnet sich der Blick in die Tiefe des Tals. Uralte Steinhäuser ducken sich im Val Bavona zwischen Felsen, verlassen oder liebevoll restauriert. Ich fühle mich wie in einer anderen Zeit.


Nach etwa einer Stunde, kurz nach der Überquerung einer kleinen Brücke, erreiche ich Campo – eine Gruppe uralter Steinhäuser im typischen Tessiner Stil. Die Mauern sind aus grobem Granit, die Dächer mit schweren Steinplatten gedeckt – es wirkt, als sei hier seit Jahrzehnten nichts verändert worden. Aus einem der Häuser sehe ich Rauch aufsteigen – oha so ganz verlassen sind diese Häuser ja gar nicht. Ich verweile kurz, lasse die Atmosphäre auf mich wirken, bevor ich weiterziehe.




Danach beginnt der Weg noch alpiner zu werden. Die Baumgrenze rückt näher, das Gelände wird offener. Ich treffe niemanden, höre nur mein eigenes Atmen und das gelegentliche Knirschen von Kies unter den Schuhen. In einer engen Kehre halte ich kurz inne, trinke einen Schluck Wasser und blicke hinab auf San Carlo, das mittlerweile winzig unter mir liegt. Das Tal ist leer, keine Menschenseele weit und breit.


Kurz hinter Campo dann das erste Schneefeld. Es liegt quer über einen kleinen Bach und ich traue der Schneedecke nicht. So laufe ich unten herum. Es stinkt bestialisch. Irgendwann habe ich die Ursache des Geruchs gefunden – ein Schafskadaver. Ich muss daran denken, dass man nie aus Bächen trinken sollte, die in der Nähe von Weideland liegen oder wo sich oberhalb Tiere befinden könnten. Dies ist das beste Beispiel, da der Kadaver direkt im Bach liegt und man hier auf keinen Fall aus dem Bach trinken sollte.


Es folgt ein weiteres kleines Schneefeld, welches direkt auf dem Wanderweg liegt. Auch dieses kann ich umgehen, da ich beim ersten Versuch schon ein wenig im Schnee eingebrochen bin und nichts riskieren möchte.


Der verbleibende Aufstieg verläuft entlang eines herrlichen Höhenwegs. Ich entspanne mich, da ich mittlerweile die Hütte erblicke und sehe, dass dort kein weiterer Schnee liegt. Auf meiner Swisstopo-Karte wurde mir noch Schnee in direkter Hüttennähe angezeigt, so dass ich mir nicht sicher war, ob ich heute die Hütte wirklich würde erreichen können.


Die Landschaft verändert sich jetzt schnell. Der Weg schlängelt sich durch karge Wiesen, erste Altschneereste blitzen zwischen den Felsen hervor. Ich erreiche das Robiei-Plateau. Ein paar Masten der Seilbahn, die von San Carlo hier hochführt, stehen stumm in der Landschaft. Kein Betrieb um diese Jahreszeit. Die Strommasten und die Masten der Seilbahn sind wirklich kein schöner Anblick und es tut mir im Herzen weh, dass die Hütte sich direkt unterhalb eines riesigen Strommmastes befindet. Auf den Fotos ist es fast nicht möglich, die Strommasten nicht abzubilden.


Und dann stehe ich kurz vor der Hütte. Besonders der letzte Abschnitt der Wanderung hat mir besonders gefallen. Unterhalb der Hütte läuft ein kleiner Wasserfall den Berg hinunter. Eingebettet zwischen Fels und Gletschern, liegt die Hütte ruhig und verlassen auf ihrer kleinen Anhöhe. Ich steige die letzten Meter hinauf, durchquere den Bach (die Brücke kurz vor der Hütte ist noch nicht montiert) und stehe vor der Hütte. Niemand da. Kein Geräusch, kein Rauch, kein Hüttenhund. Nur die Stille der Berge.


Geschichte und Bedeutung der Capanna Robiei
Die Capanna Robiei wurde in den 1960er Jahren erbaut, um Wanderern und Bergsteigern als einfache Unterkunft zu dienen. Sie steht an einem strategischen Punkt oberhalb des Val Bavona, das für seine wilde, unberührte Landschaft bekannt ist. Die Hütte ist nicht bewartet, außer in der Hochsaison, doch im Mai ist sie meistens geschlossen – ideal für alle, die Ruhe suchen.
Die Hütte selbst bietet einfachen, aber soliden Schutz vor Wetter und Kälte. Holzöfen sorgen in der Wintersaison für Wärme, und die Ausstattung ist auf das Wesentliche reduziert. Für mich ist genau das der Reiz: Hier gibt es keine Ablenkungen, keine Technik, keine Hektik. Nur Natur und Stille.
Die Türe lässt sich öffnen. Ich trete ein und bin überrascht, wie gut erhalten und sauber alles ist. Der Gastraum ist aufgeräumt, die Küche ordentlich, einige Stühle stehen akkurat am langen Tisch. An den Wänden Bilder und Wanderkarten. Nachdem ich alles ausgiebig angeschaut habe, setze ich mich für einen kurzen Moment auf die Hüttenterrasse. Ich setze mich auf eine Bank und lasse den Rucksack fallen. Ich esse mein mitgebrachtes Brot und geniesse den Ausblick und die Stille. Leider muss ich schon bald wieder los, damit ich das sehr unregelmässig fahrende Postauto rechtzeitig erwische.


Der Abstieg verläuft überraschend schnell, so dass ich bereits 20 Minuten vor der Abfahrt San Carlo erreiche. Ich habe daher noch ein wenig Zeit mir das hübsche Dorf anzuschauen. Wer mehr Zeit mitbringt oder mit dem Auto anreist, kann sich im Ristorante Basodino noch niederlassen. Dieses befindet sich direkt an der Bushaltestelle.


Touren in der Umgebung
Wer nach der Wanderung zur Capanna Robiei noch nicht genug hat, findet rund um das Robiei-Plateau weitere lohnende Ziele:
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Lago di Robiei: Ein kurzer Abstecher führt zu diesem kleinen Stausee, der von beeindruckenden Staudämmen eingerahmt wird. Das türkisfarbene Wasser leuchtet besonders bei Sonnenschein und bietet eine tolle Kulisse für eine Pause.
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Val di Campo: Ein wildes Seitental, das sich perfekt für eine Tageswanderung eignet. Es bietet spektakuläre Aussichten und ist bekannt für seine Blumenwiesen im Sommer.
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Pizzo Campo Tencia: Für erfahrene Bergsteiger ein lohnendes Ziel. Von der Capanna Robiei aus lassen sich mehrtägige Touren planen, die alpine Abenteuer und Einsamkeit garantieren.



Falls du Interesse an weiteren Wanderungen zu SAC-Hütten hast, schau gerne auf meinem Blogbeitrag über SAC Hütten vorbei! Ich habe bereits über 100 SAC-Hütten besucht und teile dort meine Erlebnisse und Empfehlungen für Touren in verschiedenen Regionen.
ECKDATEN
Dauer | 5:00 Stunden |
Länge | 11.1 km |
Höhenunterschied | ↗ 917m ↘ 917m |
Schwierigkeit | T2 |
Lage | Kanton Tessin |
Tour durchgeführt im | Mai 2025 |
Geeignet für Kinder | Mit Kindern am besten übernachten. Technisch relativ unkompliziert, mit Kindern ab 8 Jahren machbar, die die Ausdauer für die Höhenmeter haben. Mit jüngeren Kindern am besten die Seilbahn nehmen und in der Umgebung der Hütte wandern gehen. |
Genaue Route | San Carlo – Campo – Capanna Basodino – retour |
Geeignet für Kinderwagen | Nein |
Geeignet für Hunde | Ja |
Buchempfehlung | Erlebnisreiche SAC-Hütten: Bergabenteuer für Familien |