
Alpenpässeweg: Tag 3 Cabane de Prafleuri – Cabane de Louvie
Silvie Kommentare 0 Kommentare

T3
618m
1035m
4:50
Jul-Okt
11.3km
Ein neuer Tag beginnt in der Cabane de Prafleuri. Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen die Bergwelt in goldenes Licht tauchen, stehe ich draußen und beobachte das eindrucksvolle Naturschauspiel. Während der Himmel langsam heller wird, ziehen mehrere Gemsen nahe an der Hütte vorbei, völlig ungestört von meiner Anwesenheit. Ein magischer Moment, der die Stille und Erhabenheit dieser abgelegenen Region perfekt einfängt.


Nach einem einfachen, aber stärkenden Frühstück packen wir unsere Rucksäcke und machen uns bereit für eine weitere eindrucksvolle Etappe auf dem Alpenpässeweg. Unser Ziel für heute: die Cabane de Louvie, eine Hütte, die idyllisch an einem tiefblauen Bergsee liegt. Es wird eine Etappe voller Kontraste – karge Hochgebirgslandschaften, steile Anstiege und eine unerwartet grüne, fast liebliche Umgebung am Tagesziel. Es wird zugleich meine Lieblingsetappe der gesamten Tour und wohl auch für mich eine der schönsten Wanderungen der Schweiz, die ich bisher erleben durfte.


Über den Col des Roux
Der Weg beginnt mit einem steilen Anstieg, der uns über Geröllfelder und felsiges Terrain führt. Wir landen in einer richtigen Mondlandschaft und steigen immer weiter hinauf. Wie auch bereits am Vortag sind wir komplett alleine unterwegs und werden erst nach einigen Stunden anderen Wanderern begegnen, die uns auf der Haute Route entgegenkommen.


Die karge Landschaft rund um den Col des Roux auf 2.804 Metern Höhe verstärkt das Gefühl der Abgeschiedenheit. Oben angekommen, eröffnet sich ein gewaltiges Panorama: Der Blick schweift über das Val des Dix, das tief unter uns liegt, während die umliegenden Gipfel in der Morgensonne leuchten.


Es folgt ein steiler Abstieg über Geröllfelder und wir hüpfen von einem Stein zum nächsten. Ich bin gar kein Fan von diesen nicht enden wollenden Steinhaufen, aber auf dieser Höhe muss man natürlich damit rechnen und einfach da durch. Dafür werden wir am Ende dieser Geröllfelder mit unglaublichen Bergseen belohnt, die in den verschiedensten Farben leuchten und zum Baden einladen. Da ich eher ein Fan von warmen Wassertemperaturen, reicht es bei mir nur zum Eintauchen der Hand ins eiskalte Gletscherwasser.


Nachdem wir die Bergseen passiert haben, kommen wir zu einem leicht anspruchsvollen Wegstück, bei welchem wir über Steinplatten aufsteigen. Der Weg wird schmaler, ist aber sehr gut markiert. Auch Wanderer mit Höhenangst können diesen Abschnitt wohl gut meistern, da der Weg immer breit genug bleibt, um nicht direkt am Abgrund laufen zu müssen.


Von weiter oben haben wir zudem einen weiteren tollen Blick auf die türkisblauen Gletscherseen – die Anstrengung hat sich auf jeden Fall gelohnt!


Der Weg bleibt weiterhin rot-weiss markiert und das anspruchsvolle Stück endet bereits nach wenigen Minuten.


Nach diesem kleinen Aufstieg kommen wir an weiteren Seen vorbei und können bald schon den Col de Louvie erblicken, der unser nächstes Etappenziel sein wird. Wir kommen am grössten aller Seen vom heutigen Tag vorbei und wir kommen uns wie am Meer vor, da wir sogar einen kleinen Sandstrand vorfinden.


Nach dem flachen Stück entlang der Seen folgt der kurze, aber steile Aufstieg zum Pass. Wir überqueren ein kurzes Schneefeld und entscheiden uns, genau hinter diesem auf der linken Seite etwas abseits vom Wanderweg unsere Mittagspause einzulegen. Plötzlich flüstert mir meine Bergfreundin zu, dass sich direkt hinter dem Felsen ein grosser Steinbock befindet, der hier oben chillt und aufs Tal hinabschaut. Ungläubig biege ich um die Ecke und sehe das riesige Tier nur wenige Meter von uns entfernt.


Also setzen wir uns zu ihm und verweilen etwa eine Stunde an diesem Platz, bis er schließlich weiterzieht. Ein beeindruckender Moment – ein weiteres Highlight dieser Tour. Noch nie zuvor hatte ich die Gelegenheit, einen Steinbock so lange und aus nächster Nähe zu beobachten. Der Wanderweg liegt unter uns und immer wieder kommen Wanderer vorbei. Diese bemerken den Steinbock jedoch gar nicht, der sich über ihnen befindet. Sogar ein Pärchen mit Hund läuft vorbei, ohne dass der Hund die Witterung aufnimmt.


Durchs Hochgebirge zum tiefsten Punkt
Nach unserer ausgedehnten Mittagspause geht es noch ein letztes Stück über ein weiteres Schneefeld bergauf, bis wir den Col de Louvie erreicht haben. Lange bleiben wir hier nicht, da ein eisiger Wind pfeift. Ein längerer Abstieg führt uns durch eine eindrucksvolle, steinige Hochgebirgslandschaft, die von Gletscherschmelzwasser geformt wurde.



Die letzten Höhenmeter zur Cabane de Louvie
Es folgt das für mich schönste Stück des heutigen Tages und auch eine der landschaftlich eindrucksvollsten Gegenden, die ich bisher in der Schweiz gesehen habe. Ich komme mir vor wie in einem Film und die Landschaft wirkt surreal. Der Wanderweg führt ab dem Pass als schmaler Höhenweg immer weiter in Richtung Lac de Louvie. Der Weg ist immer wieder durch Ketten gesichert, die den Wanderern die notwendige Sicherheit geben. Wir sind mittlerweile schon mehrere Stunden unterwegs und hier fordert der Weter nochmal die vollste Konzentration.


Ich habe eine leichte Höhenangst, und während meine Bergfreundin mühelos den Weg entlanggeht, muss ich mich auf jeden einzelnen Schritt konzentrieren. Zum einen, weil die Erschöpfung allmählich spürbar wird, zum anderen, weil ein Fehltritt hier besser vermieden werden sollte.


Bei trockenem und sonnigem Wetter lässt sich der Pfad gut begehen, doch bei Regen oder Nebel würde ich diese Strecke lieber meiden.


Als dann der türkisblaue Lac de Louvie vor uns sichtbar wird, ist es komplett um mich geschehen. Die Landschaft ist so irre schön hier: vorne das knallgrüne Gras, dann der türkisfarbene See mit der Hütte und im Hintergrund die Combins-Gletscherlandschaft.


Nachdem wir den See erreicht haben, laufen wir an einigen uralten Steingebäuden vorbei, die eine interessante Geschichte haben. Der lange Stall mit einem Dachgewölbe wurde dreimal restauriert, nachdem er durch den steigenden Wasserspiegel im nahe gelegenen See immer wieder eingestürzt war. Schließlich wurden kleine Betonpfeiler in die Seitenwände eingebaut, obwohl dies die traditionelle Bauweise beeinträchtigte. Unter dem schweren Steinplattendach verbirgt sich ein ausgeklügeltes Trockenstein-Gewölbe, bei dem im 19. Jahrhundert weder Beton noch Zement verwendet wurden. Stattdessen kamen etwa 1200 Tonnen Erde und Steine zum Einsatz. Diese Bauweise stammt vermutlich aus dem benachbarten Aostatal. Eine lange Erdschicht diente als Schalung, die nach der Fertigstellung des selbsttragenden Gewölbes entfernt wurde. Heutzutage kann man sich dieses interessante Bauwerk anschauen, welches zudem von einer faszinierenden Pflanzenwelt umgeben ist.



Endlich erreichen wir den Louvie-See, dessen tiefblaues Wasser inmitten grüner Wiesen liegt. Der See wird von einigen als schönster See der Schweiz betitelt und ich kann das komplett verstehen. Wir laufen am Seeufer entlang eines einfachen und entspannten Wanderwegs, bis wir nach wenigen Minuten den See erreicht haben.


Die Hütte liegt zwar auf der Route des Alpenpässewegs, nicht aber der Haute Route, so dass wir hier nur einige andere Wanderer antreffen. Im Übernachtungspreis ist sogar eine 3-minütige Dusche inklusive, die wir uns gönnen und danach wie ausgewechselt fühlen.


Die Hütte liegt zwar auf der Route des Alpenpässewegs, nicht aber der Haute Route, so dass wir hier nur einige andere Wanderer antreffen. Im Übernachtungspreis ist sogar eine 3-minütige Dusche inklusive, die wir uns gönnen und danach wie ausgewechselt fühlen.



Die Schlafsäle sind sehr modern eingerichtet und es sind Trennwände eingelassen, um etwas Privatsphäre zu bekommen. Zudem gibt es mehrere Steckdosen in der Hütte, um das Handy aufzuladen. Das Hüttenteam ist auch in dieser Hütte unglaublich freundlich und aufmerksam und zudem gibt es noch eine Hüttenkatze.


Abendstimmung am Louvie-See
Nach dem langen Tag genießen wir eine warme Mahlzeit im gemütlichen Inneren der Hütte, während die letzten Sonnenstrahlen die umliegenden Gipfel in ein weiches Licht tauchen. Die Stille des abgelegenen Tals, das Plätschern eines nahen Baches und die klare Bergluft machen diesen Moment besonders. Zufrieden lassen wir den Tag ausklingen, gespannt auf das, was uns morgen erwartet. Nach dem Abendessen unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang auf einem Weg hinter der Hütte, bis wir den Staudamm sehen können und die untergehende Sonne. Dies ist ausserdem der einzige Ort mit etwas Netzempfang;-)

ECKDATEN
Dauer | 4:50 Stunden |
Höhenunterschied | ↗ 618 Hm, ↘ 1035 Hm |
Länge | 11.3 km |
Schwierigkeit | T3 (mittel) |
Lage | Kanton Wallis |
Genaue Route | Cabane de Prafleuri – Col de Prafleuri – Col de Louvie – Cabane de Louvie |
Tour durchgeführt im | September 2024 |
Geeignet für Kinder | Ab Teenageralter. Technisch anspruchsvoll und konditionell sehr lange Etappe. |
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