Die Wanderung am vierten Tag auf dem GR1 von Norte nach Baia do Raposo auf der Insel Santa Maria war ein unvergessliches Erlebnis, das vor allem durch den unglaublichen Sonnenaufgang in Erinnerung bleiben wird. Mein ältester Sohn und ich hatten beschlossen, eine Stunde früher als sonst aufzustehen und uns leise aus dem Haus zu schleichen, während die anderen beiden noch schliefen. Wir wurden mit einem atemberaubenden Sonnenaufgang belohnt, der den Himmel in einem spektakulären Farbenspiel aus Orange, Rosa und Gold erstrahlen ließ. Dies in dieser komplett einsamen Landschaft und umgeben von kompletter Stille erleben zu dürfen war sicherlich einmalig!
Auch an diesem Tag hatten wir Glück mit dem Wetter, welches ideal für eine Wanderung war: klarer Himmel und angenehme Temperaturen. Diese perfekten Wetterbedingungen trugen wesentlich dazu bei, dass wir die Landschaft in vollen Zügen genießen konnten. Nachdem wir unser Lieblingshütte hinter uns gelassen hatten, ging es auf einem längeren matschigen Abschnitt durch einen kleinen Wald und später vorbei an einigen Häusern.
Brücken halfen uns, den einen oder anderen Bach trockenen Fusses zu überqueren und der Weg war sehr abwechslungsreich.
Bald wechselte der Weg zu einer Schotterpiste aus roter Erde, die uns durch einen kleinen Canyon direkt nach Santa Barbara führte. Auf diese malerische Dorf mit den weiß getünchten Häusern und den farbenfrohen Blumen in den Vorgärten freuten wir uns schon lange, da es hier einen Supermarkt und eine Bar geben sollte, wo wir unsere Vorräte auffüllen konnten. So schlugen wir richtig zu, da die Auswahl überraschend gross war und jeder kaufte ein, was in den Rucksack passte. Unser jüngster Sohn kaufte zudem Abendessen ein, da er von den bereitgestellten Eintöpfen nicht so begeistert war und lieber auf Nummer sicher gehen wollte, dass er abends etwas zu essen hatte. Wir kamen ins Gespräch mit der Besitzerin des Supermarktes, die uns in fliessendem Englisch mit einem breiten amerikanischen Akzent begrüsste. Sie erzählte, dass sie nachdem sie wie viele ihrer Landsleute auch Verwandschaft in Amerika hat und dort viele Jahre gelebt hat nun wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sei und versuche, sich mit dem Supermarkt ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Einwohner von Santa Maria sind sich stark mit ihrer Insel verbunden und nur wenige verlassen diese, auch wenn das Leben hier alles andere als einfach ist. Wer mehr über die Geschichte der Insel lesen möchte, dem empfehle ich einen Blick in den Artikel von Azoresgataway zu werfen oder aber in einem der Reiseführer nachzulesen.
Der Wanderweg GR1 führt immer wieder durch die kleinen Dörfer de Insel, so dass man einen Einblick in das alltägliche Leben auf Santa Maria bekommt, das durch eine entspannte und herzliche Atmosphäre geprägt ist.
Wir entscheiden uns von hier aus die Abkürzung direkt zum höchsten Punkt der Insel zu nehmen. Einerseits wurde uns dies von den Besitzern der Ilha a pe Hütten empfohlen, andererseits sieht die Originalroute auf der Karte nicht wirklich spannend aus, da sie viel auf Strassen verläuft und einen relativ langen Umweg macht. Der nun folgende Weg (PR 06 SMA in Richtung Praia Formosa) ist alles andere als langweilig und verläuft als Gratweg ziemlich gradlinig. Dies heisst allerdings auch, dass es hier so richtig steil bergauf geht. Puh, das sind wir nach den entspannten letzten Tagen gar nicht mehr gewohnt. Der Weg führt durch eine herrliche Landschaft, kleine Canyons und wir sind in eine komplett andere Welt katapultiert worden.
Wir entdecken eine Vielzahl von Pflanzenarten, die in dieser Region heimisch sind und werden an unsere Wanderungen auf Madeira erinnert, da die Landschaft dort mit diesem Abschnitt vergleichbar ist. Auch dort sind riesige, schnurgerade wachsende Zedernbäume zu finden, die bei unserer heutigen Tour den Wanderweg auf einer Seite begrenzen. Wie Wachmänner sind sie nebeneinander aufgereiht und bieten ein tolles Farbspektakel mit dem umliegenden Grün des dschungelartigen Waldes.
Bald erreichen wir eine Kreuzung und biegen dort in Richtung Pico Alta ab. Dieser Umweg von ca. 15 Minuten sollte unbedingt eingeplant werden, da wir dadurch den höchsten Punkt der Insel mit 587 Metern erreichen, von welchem an bei klarem Wetter einen tollen Blick auf die Insel und die gesamte Wanderroute hat. Häufig ist dieser Aussichtspunkt von Wolken verhangen, aber auch hier haben wir Glück und können auf die ganze Insel blicken.
Der Aussichtspunkt ist etwas ernüchternd, da man direkt auf mehrere grosse Antennen schaut, aber er bietet einen tollen Rundblick. Wir entscheiden uns, hier auch gleich unsere Mittagspause einzulegen und unsere Rucksäcke etwas leichter werden zu lassen. Die Jungs schlemmen, da sie ausgiebig im Supermarkt zugeschlagen haben.
Wir verlassen den Aussichtspunkt und laufen weiterhin auf einem toll angelegten Weg zuerst durch den Wald, später dann entlang von Weidelandschaften bis wir die vierte und letzte Hütte unserer Mehrtageswanderung in Baia do Raposo erreichen.