
Von Preda nach La Punt: Eine unvergessliche Schneeschuhtour über den Albulapass
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WT2
541m
634m
6:15
Nov-Mär
18.2km
Der Albulapass ist im Winter ein Ort der Stille. Wo sich im Sommer Autos und Motorräder über die Serpentinen schlängeln, breitet sich im Winter eine weite Schneelandschaft aus. Unsere Schneeschuhtour beginnt in Preda und führt uns durch eine beeindruckende Kulisse aus tief verschneiten Wäldern, einsamen Hochebenen und schroffen Gipfeln. Begleitet werden wir von strahlend blauem Himmel, doch abgesehen von wenigen Skitourengehern begegnen wir niemandem. Eine Tour voller Winterzauber, aber auch mit ein paar Schattenseiten.


Start in Preda: Auf historischen Spuren
Da ich meiner Familie die Gletscherhöhlen am Morteratschgletscher zeigen möchte, sind wir mal wieder im Engagin unterwegs und werden in St. Moritz übernachten. So habe ich eine Tour in dieser Gegend herausgesucht, die ich bisher noch nicht gelaufen bin. Da wir nicht mehr zu unserem Ausgangsort zurückkehren werden, haben wir das Gepäck fürs Wochenende dabei und haben demzufolge leicht gepackt und nur das Nötigste mitgenommen.
Wir starten in Preda, dem kleinen Ort am oberen Ende der berühmten Albulastrecke der Rhätischen Bahn. Bekannt ist er vor allem durch die Albulabahn, deren markante Viadukte sich durch die Landschaft ziehen und die im Winter Schlittenfahrer nach Bergün bringt. Doch während die meisten Besucher mit Rodeln oder Ski unterwegs sind, schnallen wir uns die Schneeschuhe an. Unser Ziel: die Passhöhe des Albulapasses und der Abstieg nach La Punt.
Am Bahnhof herrscht ein richtiges Gewusel von unzähligen Schlittenfahrern, die den Bahnsteig verstopfen. Am Wochenende wird es hier wirklich voll, da die Schlittelstrecke von Preda nach Bergün wirklich beliebt ist. Wir laufen von hier unter den Gleisen hindurch und starten auf der anderen Seite. Die Schneeschuhe legen wir erst nach ca. 500 Meter an, da dort der markierte Palpuogna Schneeschuhpfad 528 startet. Diesem Pfad folgen wir jedoch nur die ersten 30 Minuten, da diese Rundtour wieder zurück nach Preda führt.
Nach einem wunderschönen Weg durch den winterlichen Wald und vorbei am schneebedeckten Palpuognasee führt der Weg während der nächsten Kilometer auf der gesperrten Passstraße nach oben. Es ist immer ein wenig schade, auf einer Straße zu laufen, aber zumindest kann man dort bequem gehen.



Entlang der Passstraße: Ein weiter Aufstieg
Der größte Teil der Route verläuft auf der alten Passstraße. Das hat Vor- und Nachteile: Einerseits ist der Weg klar erkennbar, und wir müssen kaum spuren. Andererseits fehlt manchmal das Gefühl des richtigen Winterabenteuers, wenn man einer Straße folgt. Während wir höher steigen, ändert sich die Landschaft. Der dichte Wald weicht offenen Flächen, und mit jedem Höhenmeter wird der Blick weiter.

Mittagspause auf der Crap Alv
Nach einer Stunde erreichen wir die Crap Alv auf etwa 2.026 Metern. Die kleine Ansammlung von Häusern ist ein idealer Rastplatz und wir finden sogar eine Bank. Wir packen unser mitgebrachtes Essen aus und genießen die Aussicht. Der Blick schweift über die umliegenden Gipfel, die im Sonnenlicht glitzern. In der Ferne sind einige Skitourengeher zu erkennen, doch insgesamt sind wir fast allein. Diese Ruhe ist selten in den Alpen, und wir lassen sie in vollen Zügen auf uns wirken.


Nach der Pause setzen wir unseren Weg fort. Ich hatte vor, dass wir der Skitourenroute folgen, die bei Swisstopo eingezeichnet ist. Jedoch zwingt uns ein kleiner Bach zur Umkehr, den wir mit unseren Schneeschuhen nicht überqueren wollen, da wir sonst komplett nasse Schuhe bekommen würden. Zudem gibt es auf dieser Route später noch ein kurzes Stück an einem Hang über 30 Grad, den wir queren müssten. So entscheiden wir uns, wieder zur Crap Alv zurückzulaufen und den Weg auf der Passstrasse weiterzulaufen. Dies ist doch ein ziemlicher Umweg und verlängert unsere Tour um weitere 30-45 Minuten.


Die Geschichte des Albulapasses reicht weit zurück. Schon in prähistorischer Zeit nutzten Jäger und Sammler diese Route, um von einem Tal ins andere zu gelangen. Später kamen die Römer, die bereits gut ausgebaute Handelswege durch die Alpen schufen. Im Mittelalter war der Pass ein wichtiger Handelsweg zwischen Chur und dem Engadin. Damals bedeutete eine Überquerung jedoch ein echtes Abenteuer – ohne moderne Ausrüstung, oft bei schlechtem Wetter und mit der ständigen Gefahr von Lawinen.


Auf dem Albulapass: Hoch oben in der Stille
Die Sonne strahlt von einem makellosen Himmel, und wir genießen die klare Luft. Doch eine Sache stört das Bild: die zahlreichen Strommasten entlang der Route. Immer wieder ragen sie aus der Landschaft hervor, eine Erinnerung daran, dass selbst hier oben die Zivilisation ihre Spuren hinterlässt. Mir waren die Strommasten bereits im Sommer aufgefallen, als wir vom Albulapass in Richtung Preda abgestiegen sind. Im Winter sind sie noch viel präsenter, da sie durch den Schnee noch viel mehr auffallen.
Der Weg hat eine stetige sanfte Steigung und so gewinnen wir immer mehr an Höhe. Die Landschaft wird noch karger, und bald erreichen wir die Passhöhe auf 2.312 Metern. Hier oben fühlt sich die Welt endlos an. Kein einziger Baum wächst hier, nur Schnee und Felsen bestimmen das Bild. Der Albulapass ist eine der wichtigsten historischen Alpenquerungen. Heute ist er ein Paradies für Winterwanderer, die die Einsamkeit suchen.


Es ist faszinierend, wie sich die Umgebung mit der Höhe verändert hat. Unten in Preda waren wir noch von Häusern umgeben, dann von Wäldern, später von weiten Schneeflächen. Hier oben ist alles reduziert auf das Wesentliche: weißer Schnee, blauer Himmel, dunkle Felsen. Die Sonne steht hoch, und wir machen am Albulahospiz eine kurze Pause, um diesen Moment zu genießen. Kein Wind, keine Stimmen, keine Straßengeräusche – nur Stille.


Ich kennen den Albulapass bereits aus dem Sommer, da der Bernina-Trek hier vorbeiführt. Zudem gelangt man von hier auch zur Es-Cha-Hütte, die Teil des berühmten Kesch-Treks ist und für mich als Basis für die Besteigung des Piz Keschs diente. Es ist allerdings erstaunlich, wie anders die Landschaft im Winter wirkt, auch wenn man doch alles problemlos wiedererkennt.
Während wir dort stehen, wird mir bewusst, wie besonders dieser Moment ist. In unserer heutigen Welt, die von ständiger Erreichbarkeit und Hektik geprägt ist, gibt es nur noch wenige Orte, an denen man sich wirklich alleine fühlen kann. Hier auf dem Pass scheint die Zeit stillzustehen. Kein Mensch weit und breit, nur wir und die Berge. Ich frage mich, ob es den Händlern im Mittelalter ähnlich ging. Haben sie auch innegehalten und diesen Blick genossen? Oder war es für sie nur eine beschwerliche Etappe auf einer langen Reise?
Ich genieße diesen Moment der Ruhe, bevor wir uns wieder in Bewegung setzen. Wir legen eine weitere Kleidungsschicht an, da es von hier nur noch bergab gehen wird und wir daher nicht mehr so stark schwitzen werden.
Der nun folgende Abstieg zieht sich wirklich in die Länge und ich bewundere meinen 14-jährigen Sohn, der die Strecke grösstenteils ohne zu Murren mit uns läuft. Das ist der Moment, wo man sich Ski oder einen Schlitten wünscht, um die noch verbleibenden Kilometer hinter sich zu bringen. Landschaftlich ist aber auch dieser Abschnitt sehr eindrücklich, da wir uns inmitten der sehr eindrücklichen Engadiner Bergwelt befinden.


Der Abstieg nach La Punt: Ein sanftes Finale
Der Weg führt hinab ins Val d’Alvra, eine weite, offene Landschaft, die sich sanft ins Tal schlängelt. Langsam nähern wir uns den ersten Bäumen, und bald darauf erscheint La Punt in der Ferne. Die Häuser des Engadiner Dorfes schimmern in der Nachmittagssonne, ihre typischen Sgraffiti-Verzierungen werfen weiche Schatten. Noch ein paar letzte Schritte, dann erreichen wir die ersten Straßen des Ortes.



Fazit: Eine Tour mit Licht und Schatten
Die Schneeschuhtour von Preda über den Albulapass nach La Punt ist ein einzigartiges Erlebnis. Sie führt durch eine atemberaubende Winterlandschaft, bietet eine beeindruckende Aussicht und vermittelt ein Gefühl von Abgeschiedenheit, das in den Alpen selten geworden ist. Das perfekte Wetter mit strahlend blauem Himmel hat die Tour noch unvergesslicher gemacht.
Allerdings gibt es auch Schattenseiten: Der lange Aufstieg auf der Passstraße kann monoton wirken, und die vielen Strommasten stören das sonst so idyllische Bild. Wer jedoch eine einfache, landschaftlich reizvolle Tour sucht, die ohne schwierige Navigation auskommt, wird hier fündig. Und die Stille auf der Passhöhe? Unbezahlbar.
Tipp: Wir sind die Tour ohne LVS-Ausrüstung gelaufen, da sie nicht in der Nähe von lawinengefährdeten Hängen befindet, sofern du auf der Passstrasse bleibst. Natürlich muss die Lawinensituation vorher beobachtet werden und du solltest nur bei sicheren Verhältnissen unterwegs sein.
ECKDATEN
Dauer | 6:15 Stunden |
Höhenunterschied | ↗ 541m↘ 634m |
Schwierigkeit | WT2 |
Länge | 18.2 km |
Lage | Kanton Graubünden |
Genaue Route | Preda – Palpuognasee – Alp Crav Alv – Albulapass – La Punt Chamues-ch |
Tour durchgeführt im | Januar 2025 |
Geeignet für Kinder | Für ältere Teenager sehr gut geeignet. Sehr lange Tour, die wirklich Ausdauer und Durchhaltewille benötigt. |
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